Universität Witten-Herdecke

Darstellung der Geschichte Wittens für unsere russischen Freunde

 

 

Die Entwicklung Wittens vom Dorf zur Industriestadt

 

Die Zeit vor der Industrialisierung

 

Vom Mittelalter bis etwa um die Wende zum 19. Jahrhundert war Witten ein bäuerlich geprägtes Dorf. Ackerbauern, Viehzüchter und Handwerker waren die Dorfbürger.

Das Dorf hatte sich um die alte Johanniskirche und den Kornmarkt herum entwickelt und bestand aus rd. 60 Bauernhöfen. 1817 hatte Witten rund 1500 Einwohner. Rund um das Dorf Witten lagen weitere kleine Dörfer (Annen, Wullen, Stockum, Heven, Herbede, Bommern und andere).

Ähnlich war die Struktur des ganzen Ruhrgebietes, das ist das relativ flache Land zwischen den Flüssen Ruhr und Lippe. Es war von Landwirtschaft geprägt. Einige Städte entlang der teilweise schon im 8. und 9. Jahrhundert angelegten Fernstrassen lebten auch von dem Handel entlang dieser Strassen.

 

 

Die Anfänge des Steinkohlebergbaues

 

Um 1800 hatte sich im Bergischen Land südlich der Ruhr bereits eine Industriestruktur entwickelt. Es waren Betriebe der Eisenverarbeitung neben der dort schon länger ansässigen Textilherstellung.

Diese neuen Industriebetriebe benötigten neben der Wasserkraft, die im Bergíschen Land von den Flüssen geliefert wurde, Steinkohle zum Schmelzen und Schmieden der Metalle.

Im Tal der Ruhr bei Witten liegen die Steinkohlenflöze, die im ganzen Ruhrgebiet bis weit in das nördlich anschließende Münsterland vorkommen, dicht unter der Erde. Südlich der Ruhr bei Witten, im Muttental, treten die Flöze in den Wäldern an die Erdoberfläche.

Seit vielen Jahrhunderten schon hatten die Bauern die Kohlen in Mulden ausgegraben und in kleinen Mengen verkauft. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Kohle bergmännisch abgebaut, zunächst in Stollenbetrieben (waagerechte Gänge in die Berghänge), später ermöglichten die ersten Dampfmaschinen auch das Tiefbauverfahren (senkrechte Schächte).

Die Wiege des Steinkohlenbergbaues liegt also bei Witten im Muttental.

 

 

 

Die Auswirkungen der Kohle auf die industrielle Entwicklung

 

In den folgenden 150 Jahren wurde der von Witten her sich entwickelnde Steinkohlenabbau der Motor der industriellen Entwicklung der Stadt und des ganzen Ruhrgebietes.

Witten entwickelte sich innerhalb von 100 Jahren zu einer Industriestadt mit rund 30.000 Einwohnern im Jahre 1890. Das Ruhrrevier wurde in dieser Zeit einer der größten industriellen Ballungsräume Europas.

Einer der ersten Industriegründer war Friedrich Lohmann, der 1790 in Witten eine Stahlfabrik gründete. In den folgenden Jahrzehnten entstanden viele weitere Betriebe durch die Familie Lohmann oder mit Ihrer Beteiligung.

Es folgten weitere Gründungen, zum Beispiel Gießereien, Walzwerke, Ziegeleien und Brauereien.

1825 gründete die Familie Müllensiefen eine Glasfabrik. Mehrere kleine Glasfabriken folgten. Unter anderem war der weltberühmte Erfinder des "Jenaer Glases", Otto Schott, ein Glasfabrikant aus Witten.

1853 gründete Julius Berger den größten Wittener Betrieb, das Gußstahlwerk Witten.

Infolge der rasanten Industrieentwicklung wurden ab 1847 die Eisenbahnverbindungen Wittens mir dem übrigen Revier gebaut und Witten erhielt ein großes Eisenbahn-Reparaturwerk.

Neben diesen Folgeindustrien des Steinkohlebergbaues entstanden auf Wittener Gebiet mehrere große Tiefbauzechen, die über das ganze Stadtgebiet verteilt waren und viele Jahrzehnte das Stadtbild prägten. Die Tiefbauzeche "Nachtigall" in Witten war um 1860 die größte Zeche des Ruhrreviers und hatte ca. 500 Bergleute.

 

 

 

Die Stadtentwicklung bis zum zweiten Weltkrieg

 

Durch die Industrie zogen sehr viele Menschen aus anderen Gebieten in das Ruhrrevier und auch nach Witten. Sie kamen aus allen Landschaften Deutschlands, aber auch aus Polen, aus Tschechien, aus Holland und Belgien. Die Glasfabrik Müllensiefen holte zum Beispiel Glasbläser aus dem Böhmerwald nach Witten.

Für die vielen Menschen mussten Wohnungen gebaut werden und es entstand ein großer Bedarf an Handwerkern und an Geschäften für die Versorgung der Menschen. Der dörfliche Charakter der Innenstadt verschwand sehr schnell und es entstand ein städtisch geprägtes Zentrum mit Geschäftshäusern im Stil der Gründerzeit. Um das Zentrum herum entstanden neben den Industriebetrieben große Wohnsiedlungen für die Arbeiter mit Kirchen, Schulen Kneipen und Geschäften. In der Innenstadt und im Bereich der Ruhrhänge auf beiden Fluss-Seiten in Witten und in Bommern entstanden die Villen der Geschäftsleute und Fabrikanten.

Witten wuchs langsam mit den umliegenden Dörfern zusammen. 1929 wurden viele dieser Dörfer eingemeindet und sind zu Stadtteilen der Großstadt Witten geworden.

Die industrielle Kulisse der Gründerzeit veränderte sich schon in den zwanziger Jahren. Der Steinkohlenbergbau wanderte in das nördliche Revier ab, schon 1928 wurde die letzte Tiefbauzeche in Witten geschlossen. 1929-32 folgte die Schließung vieler kleinerer Industriebetriebe des Stahlbereiches, die ebenfalls in die neu entstandenen großen Zentren der Stahlindustrie (Dortmund, Essen, Oberhausen, Duisburg u a.) abwanderten. Auch einige Glasfabriken wurden geschlossen.

 

 

 

Die Zerstörung der Stadt im 2. Weltkrieg und der Wiederaufbau

 

Dramatische Veränderungen brachte der Krieg 1939-45. Fast alle noch erhaltenen alten Häuser aus der dörflichen Zeit und die teilweise sehr schönen Wohnhäuser und Geschäftshäuser der Gründerzeit im Stadtzentrum wurden im Krieg 1939-45 durch Bomben zerstört. Fast alle Industriebetriebe lagen ebenfalls in Trümmern.

Das Stadtbild wurde durch den Wiederaufbau nach dem Krieg völlig verändert.

Die oben beigefügten Bildcollagen zeigen einige wenige Spuren des alten Wittener Stadtbildes und des alten Dorfes Witten.

 

 

 

Die Stadt Witten heute

 

Die Stadt hat heute etwa 100.000 Einwohner.

Die 1939 vorhandenen Industriebetriebe Wittens wurden in den Nachkriegsjahren zunächst fast alle wieder aufgebaut. Zusätzlich entstanden neue Industrieanlagen.

Inzwischen hat die strukturelle Veränderung der Industrie im Ruhrrevier in den letzten 40 Jahren auch in Witten ihre Spuren hinterlassen. Viele Betriebe wurden geschlossen, andere haben sich drastisch verkleinert und in ihrem Produktionsprogramm verändert. Diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.

Es existieren aber auch heute noch einige Betriebe aus der Gründerzeit des letzten Jahrhunderts:

Es existieren aber auch heute noch einige Betriebe aus der Gründerzeit des letzten Jahrhunderts:

  • Die Firma Lohmann in Witten-Herbede ist noch immer in Familienbesitz und produziert Edelstahl.
  • Die ehemalige Glasfabrik Müllensiefen gehört zum englischen Glaskonzern Pilkinton und produziert Autogläser.
  • Das Gußstahlwerk Witten.

In großen Gewerbegebieten am Stadtrand gibt es viele industrielle Neugründungen.

In diesen neu gegründeten Betrieben versucht man neue Arbeitsplätze für die Menschen zu schaffen. Es sind zumeist kleine und mittlere Betriebe.

Bei den Bildungseinrichtungen folgt Witten den strukturellen Veränderungen im Ruhrgebiet. Es wurde in der Stadt eine kleine private Hochschule mit ca. 1000 Studenten gegründet, die neue Wege der Studentenausbildung versucht und damit bereits Erfolge hat.

Die Kohlenindustrie in Witten ist heute Geschichte, aber die Spuren sollen nicht verloren gehen. Das Muttental mit den frühesten Zeugen des Steinkohlenbergbaues ist heute ein Industriedenkmal und ein Wander- und Erholungsgebiet.

 

 

 

Witten und das Ruhrgebiet

 

Witten hat sich seit Ende des 18. Jahrhunderts von einem Bauerndorf zu einer Industriestadt entwickelt. Die Stadt war als kleine Einheit mit heute 100.000 Einwohnern immer das Spiegelbild der Entwicklung in der Industrieregion Ruhrgebiet mit heute 5.500.000 Einwohnern.

Die Montanindustrie mit Steinkohle und Stahl haben das Ruhrgebiet und Witten 200 Jahre lang geprägt. Dabei ging die Entwicklung des Kohlebergbaues vom Gebiet der Stadt Witten aus. Im Muttental bei Witten können die frühesten Zeugen des Kohlebergbaues noch heute besichtigt werden.

Heute hat die Steinkohle für das Ruhrgebiet keine Bedeutung mehr. In Witten und auch in der weiteren Umgebung sind alle Zechen geschlossen. Nur ganz im Norden des Reviers wurde noch bis 2019 in einigen Betrieben Kohle gewonnen. Die Stahlindustrie hat ihre Vorrangstellung verloren. Auf den alten Industrieflächen der Montanindustrie sind neue Gewerbegebiete entstanden. Es wurden Hochschulen, Fachhochschulen, Technologiezentren und Forschungseinrichtungen gegründet.

Diese Strukturveränderung der Stadtlandschaft Ruhrgebiet ist noch nicht abgeschlossen. Sie wird noch lange Zeit andauern.

In Witten und in der näheren Umgebung künden nur noch wenige erhalten gebliebene Reste der Stahlfabriken und Steinkohlenzechen von der Industriekultur des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese Bauwerke sind heute Industriedenkmale. Sie können besichtigt werden als anschauliche Beispiele für die Entwicklung unserer Region zum größten Industriegebiet Europas und für die Arbeitswelt unserer Vorfahren.

Träger und Förderer dieser Denkmäler der Industriekultur ist der Regionalverband Ruhr. Das Geld für den Aufbau und für den Unterhalt der Anlagen stellen die Städte, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und die Europäische Gemeinschaft in Brüssel zur Verfügung.

Im Stadtgebiet Witten gibt es mehrere Museumsanlagen aus der Frühzeit des Steinkohlenbergbaues. Auch haben zwei Wittener Unternehmen der Stahlerzeugung und des Maschinenbaues Museen aufgebaut, in denen sie ihre eigene Industriegeschichte dokumentieren.

 

 

Bergbauwanderweg Muttental in Witten

Hebezeugmuseum der Firma J.D.Neuhaus in Witten

Historie der Firma Lohmann in Witten

Homepage der Stadt Witten

Weitere Berichte zur Geschichte der Stadt Witten

Weitere Berichte zur Geschichte des Ruhrgebietes

Zum Stadtarchiv der Stadt Witten

Zur Seite des Regionalverbandes Ruhr

Zu den Industriemuseen in NRW

Industriedenkmal.de - Geschichte der Industrie

Zur Seite der "Landeszentrale für Politische Bidung NRW"

"Wir in Nordrhein-Westfalen" - Das Medienportal der Landesregierung

Zur Seite "Ruhr Museum Essen"

Zum Bergbaumuseum Bochum

Digitale Fotosammlung zum Ruhrgebiet als "Regionales Gedächtnis" (Pixelprojekt_Ruhrgebiet)

Bilderserie Ruhrgebiet 1957-1958 des Fotografern Chargesheimer

Zum Fotoprojekt Neue Heimat Ruhr (Zuwanderung im Ruhrgebiet)

Zur Webseite der Bundesrepublik Deutschland

 

 

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