Im Jahr 2017 feierte unser Verein sein 30-jähriges Bestehen mit einer öffentlichen Veranstaltung in der VHS Witten unter dem Thema

„Diplomatie von unten: Städtepartnerschaften heute“

 

Rita Boele begrüsst die Gäste

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, wir freuen uns, dass Sie heute hier sind, um mit uns das 30jährige Bestehen des Freundeskreises Witten-Kursk zu würdigen. Seien Sie dazu herzlich willkommen. Wir möchten einige unserer heutigen Gäste besonders erwähnen:

Wir begrüßen sehr herzlich den Attache des russischen Konsulats in Bonn, Herrn Ilya Ageev mit seiner Gattin und den stellvertretenden Bürgermeister unserer Stadt, Herrn Lars König, sowie unsere Gäste aus Kursk, die frühere langjährige Vorsitzende des Freundeskreises Kursk-Witten, Frau Vera Filippova, und den jetzigen Vorstand, Frau Nadja Sotnikova und Frau Olga Minakova

Wie lässt sich dieses Jubiläum begehen? Natürlich mit einem Blick zurück und natürlich auch mit einem Blick nach vorn mit der Frage: Sind Städtepartnerschaften noch zeitgemäß?

Mit dem Blick zurück haben wir bereits Anfang September begonnen mit der Ausstellung  “30 Jahre Freundeskreis Witten-Kursk“ in der Stadtgalerie. Die Ausstellung zeigt Projekte und Veranstaltungen aus unserer Vereinsarbeit in 3 Jahrzehnten und geht noch bis Ende Dezember.

Gefeiert haben wir am letzten Wochenende mit dem - wir möchten sagen und hoffen - ersten Städtepartnerschafts-Jazz-Festival in der POP-Akademie Witten mit 3 Bands aus unseren Partnerstädten Beauvais, Bitterfeld-Wolfen und Kursk. Die Wittener Band konnte leider aus Krankheitsgründen nicht teilnehmen. An dieser Stelle möchten wir allen Sponsoren und Helfern ein herzliches Dankeschön sagen.

Was erwartet uns am heutigen Abend? Wie schon eingangs erwähnt, Reden, mit einem Blick zurück und nach vorn, Bilder über einen Zeitraum von 30 Jahren, gutes Essen und natürlich auch viele interessante Gespräche.

Nadja Sotnikova und Olga Minakova aus Kursk überbrachten die Grüße des dortigen Freundeskreises

 

Ansprache des stellvertretenden Bürgermeisters unserer Stadt Lars König

 

In der Mitte der Attache des russischen Konsulats in Bonn, Herrn Ilya Ageev mit seiner Gattin, daneben vorne Vera Filippova, eine der Mitbegründerinnen der Partnerschaft mit Kursk

 

Peter Hegholz beschreibt die politische Situation des Gründerjahres:

Das Jahr 1987

Als eines der Gründungsmitglieder des Freundeskreises versuche ich, möglichst prägnant unser Gründungsjahr 1987 zu beschreiben.

Am 7. September 1987 wurde DDR-Chef Erich Honecker vor dem Bundeskanzleramt in Bonn mit militärischen Ehren empfangen. Die Atomkatastrophe von Tschernobyl in der damaligen Sowjetunion, heute Ukraine, von April 1986 bewies die Unbeherrschbarkeit der Nukleartechnik; gleichzeitig setzte hier eine große Hilfsbereitschaft für humanitäre Hilfe ein. Schon im Juni 1986 richtete die Bundesregierung unter Helmut Kohl das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ein. Nach der Bundestagswahl im Januar 1987 wurde unter Kohl das 3. Kabinett in Koalition mit der FDP gebildet.

Seit dem 11. März 1985 ist Michael Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU, er beschreibt mit den Begriffen Perestroika (Umgestaltung) und Glasnost (Offenheit, Transparenz) sein politisches Bestreben. Damit sollten die verkrusteten Machtstrukturen und der Niedergang der Wirtschaft wirkungsvoll bekämpft werden, sowie eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Westen bewirkt werden. USA-Präsident Ronald Reagans bezeichnete die Sowjetunion als das „Reich des Bösen“ mit dem Ziel, die Sowjetunion ideologisch und militärisch herauszufordern und ihren Einfluss in der Dritten Welt mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Von Entspannungspolitik war zumindest von einer Seite offensichtlich keine Rede; trotzdem erzwang die Rüstungsspirale - schon allein aus finanziellen Gründen in den USA und durch die Überschreitung der wirtschaftlich-technologischen Leistungsgrenze der Sowjetunion - 1987 erste Schritte zur Abrüstung. Der INF-Vertrag, eingeleitet 1987, bewirkte die 50%ige Reduzierung von europäischen Mittelstreckenraketen. Auch das von den USA angekündigte Weltraumwaffenprogramm erwies sich als unbezahlbares Vorhaben. Dennoch blieb die Nato-Doktrin „Sicherheit durch Abschreckung“ weiterhin gültig. Drei Jahre nach dem Besuch Honeckers in Bonn war die Existenz der DDR beendet.

Gegenüber dem Regierungshandeln existierte seit über 100 Jahren die sogenannte  Friedensbewegung, erstmals bedeutsam durch die Stimme von Bertha von Suttner mit ihrem Buch und dem Appell von 1889 „Die Waffen nieder“. Dieses überwiegend pazifistische Gedankengut bewirkte nicht die Verhinderung der Weltkriege; es schärfte aber die Bestrebungen für eine Friedenspolitik und humanistisches Gedankengut weltweit. 1889 beschreibt auch die Zeit einer starken nationalistisch-aggressiven Politik in Europa; gepaart mit der enorm aufstrebenden Rüstungsindustrie. Die vorherrschende konservative, bürgerliche Ideologie verspottete die Friedensbewegung als weltfremd und blauäugig, denn die widerstrebenden politischen und ökonomischen Interessen könnten für die eine Seite nur mit Hilfe einer Politik der militärischen Überlegenheit entscheiden werden.

Zur Mitte der 1980er Jahre war es der NATO gelungen, den Ostblock militärisch tot zu rüsten; die im staatlichen Eigentum befindlichen und zentralistisch geführten Wirtschaftssysteme versagten bei der ausreichenden Versorgung ihrer Bevölkerung. Das führte letztendlich zur Auflösung des Ostblocks und der Sowjetunion. Für ihre Zukunft einigten sich die Staaten des „Warschauer Pakts“ am 29. Mai 1987 im Kern auf folgende Doktrin:

    Wir werden niemals mit militärischen Handlungen beginnen, wenn wir nicht selbst einem bewaffneten Überfall ausgesetzt sind.

    Wir werden niemals als erste Kernwaffen einsetzen.

    Wir erheben keinerlei territoriale Ansprüche.

    Wir betrachten keinen Staat und kein Volk als Feind.

    Wir sind bereit, mit allen Ländern die Beziehungen auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung der Sicherheitsinteressen und der friedlichen Koexistenz zu gestalten.

    Wir schlagen den Ländern der NATO vor, in einem gemeinsamen Treffen die militärischen Doktrinen der beiden Bündnisse zu vergleichen, um die Absichten des anderen besser zu verstehen.

Die NATO antwortete mit Schweigen. Die ignorierende Haltung der NATO war wohl mit der berechtigten Annahme begründet, dass in absehbaren Zeit das politische und militärische Bündnis im Osten kollabieren werde und eine neue Zeitrechnung allein zu Gunsten der NATO entstehen werde.

Zum politischen Tauwetter im Ostblock einschließlich DDR haben auch Bürgerrechts- und Friedensbewegungen beitragen, die konnten sich auf die international vereinbarten Beschlüsse der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit“ in Helsinki 1975 berufen. Trotz - oder gerade wegen - der Unbeugsamkeit der Führungen der kommunistischen Einheitsparteien gewannen die Oppositionsbewegungen an Bedeutung.

Zur Friedensbewegung in der Bundesrepublik gehört auch die von der Evangelischen Kirche 1958 gegründete „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ mit dem Ziel, durch Versöhnung und Zusammenarbeit für eine friedliche und gerechtere Welt einzutreten

Die herablassend gebrauchte Bezeichnung „Russlandversteher“ ist für mich geradezu ein Lob; denn man kann nur das verstehen worüber vorher Kenntnisse erworben wurden. Unser Verein vermittelt Wissen über Russland, um Russland verstehen zu können. Damit ist nicht gemeint, für alles Verständnis aufbringen zu müssen. Ganz aktuell: Der Friedensnobelpreis 2017 geht an ICAN „Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“. Deutschland und die Atommächte sollen den Vertrag zur Ächtung von Atomwaffen unterzeichnen um die nukleare Abrüstung voranzutreiben.

1987 haben mutige, zielstrebige und friedensbewegte Wittener Bürgerinnen und Bürger die Städtefreundschaft mit Kursk begründet. Sie haben wichtige Marksteine zur Versöhnung und Völkerfreundschaft gesetzt und damit die Opfer des Krieges wirklich geehrt.

 

 

Christa Thierig beschreibt die Vereinsgründung. Der Redebeitrag wurde, weil sie verhindert war, von Joachim Schramm vorgetragen:

Wie alles anfing

Die Überlegung, dass Witten mit Frankreich, England, Österreich, Israel Partnerschaften einging, nicht aber mit einer Stadt der Sowjetunion, obwohl dort im Krieg besonders furchtbare Verbrechen von Deutschen begangen worden waren, brachte die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner und die Hevener Friedensgruppe im Oktober 1987 dazu, einen Verein zu gründen, einen „Verein zur Gründung einer Städtepartnerschaft“. Kursk war uns als mögliche Partnerstadt genannt worden.

Als in Witten Bunker renoviert werden sollten, empfanden wir das nicht als friedensfördernd, sondern als eher kontraproduktiv zum Friedensgedanken. Wir entwarfen einen Text, der als friedensfördernde Maßnahme eine Partnerschaft mit einer sowjetischen Stadt forderte. Mit diesem Text gingen wir in der Innenstadt von Haus zu Haus, von Wohnung zu Wohnung und sammelten Unterschriften. Etwa 300 bekamen wir zusammen und gaben sie beim Bürgermeister ab.

1988 fuhr der Freundeskreis Witten-Kursk das erste Mal nach Kursk. Der Eindruck dieser Begegnung, die überwältigende Herzlichkeit, mit der wir dort empfangen wurden, bestärkte uns in dem Wunsch, mit dieser Stadt eine Partnerschaft zu gründen.

Darum fuhren drei Mitglieder 1989 nach Kursk, nämlich Marianne Pauls, Joachim Schramm und Detlef Thierig. Dort sprachen sie mit offiziellen Stellen der Stadt, dem Kursker Friedenskomitee und dem Klub Globus. Dieser Klub hatte Erfahrung mit Auslandsreisen. Von der Stadtverwaltung erhielt die Gruppe eine „Absichtserklärung“, in der der Wille zur Einrichtung einer Partnerschaft mit Witten bekräftigt wurde.

Stellvertretend für alle, die von Anfang an dabei waren, möchte ich Hans Heinrich Bukow nennen, damals in der Hevener Friedensgruppe. Von Anfang an hat uns auch unterstützt Klaus Lohmann, und zwar vor und nach seiner Wahl zum Bürgermeister.

Der stete Tropfen höhlt den Stein. Im Jahr 1990 fuhr eine Wittener Delegation aus Vereinsmitgliedern, Angehörigen der Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Klaus Lohmann nach Kursk. Der Partnerschaftsvertrag wurde unterzeichnet. Ein Jahr später reiste eine Delegation aus Kursk an und auch in Witten fand eine offizielle Unterzeichnung statt.

Seitdem finden gegenseitige Besuche jährlich statt, immer ein ums andere Jahr eine Gruppe aus Witten und aus Kursk. Ein vielfältiger Austausch auch auf kulturellem Gebiet hat sich entwickelt.

Sechzehn Jahre war ich Vorsitzende des Freundeskreises Witten-Kursk, zu Besuch in Kursk etwa ein dutzend mal, viele enge Freundschaften sind entstanden. Ich denke es ist klar, wie wichtig heute in Zeiten der Schwierigkeiten zwischen den Staaten diese persönlichen Verbindungen zwischen den Menschen sind. Ich wünsche dem Freundeskreis Witten-Kursk auch weiterhin viele gute Begegnungen und der Partnerschaft zwischen unseren Städten viel Erfolg und eine positive Zukunft!

 

 

Dieter Boele spricht zum Thema der Veranstaltung:

Bedeutung von Städtepartnerschaften heute

Die Vorträge von Peter Hegholz und Joachim Schramm haben uns zurückgeführt in die Zeiten der Vereinsgründung Mitte der 1980er- Jahre. Von Anfang an war allen Beteiligten klar, das diese Partnerschaft nur durch Aktivitäten der Zivilgesellschaft und der Bürgerschaft mit Leben gefüllt werden kann. Ratsbeschluss und formale Vereinbarung der Städte bildeten hierfür eine wichtige Plattform.

Viele Vereinsmitglieder, aber auch viele Wittener Bürgerinnen und Bürger halfen bei der Arbeit, insbesondere in den ersten Jahren, als es um materielle Hilfe in Kursk ging. Unternehmen und Institutionen (wie z. B. Rotes Kreuz) unterstützten die Hilfslieferungen, Ärzte spendeten medizinische Geräte, Aus- und Weiterbildung fanden an hiesigen Krankenhäusern, am Berufskolleg oder an zentralen Bildungsstätten statt. Eine Altenpflegeausbildung konnte mit hiesigem know-how in Kursk installiert werden.

Die russische Kultur der Klassik und der Gegenwart konnte an Beispielen wie Rowesnik-Theater, Chor Capella, Staatliches Figurentheater Kursk oder Jazz-Konzerten hier in Witten vermittelt werden. Schulische und universitäre Austauschmöglichkeiten wurden eingerichtet. Die deutsche Woche in Kursk fand große öffentliche Beachtung. Dies sind nur einige Beispiele der umfangreichen Tätigkeit.

Eine besondere Bedeutung haben nach wie vor die regelmäßigen gegenseitigen Bürgerreisen zwischen Kursk und Witten, an denen sich inzwischen viele Wittener und Kursker Bürgerinnen und Bürger, aber auch Menschen aus anderen Städten beteiligt haben. Freundschaften entstanden, gemeinsame Ausflüge wurden unternommen, wie Paddeltouren auf der Ruhr und der Svappa in Kursk.

Wer das alles noch einmal detailliert nachlesen will, kann das auf unserer Homepage www.witten-kursk.de oder in unserer Ausstellung im Obergeschoss der Stadtgalerie tun.

An dieser Stelle großen Dank an alle, die sich in diesen 30 Jahren an der Entwicklung von Projekten und an der Entwicklung des Vereins beteiligt haben oder dies noch immer tun. Wichtig war und ist dabei auch, dass die Arbeit des Freundeskreises durch Verwaltung und Politik und durch die örtliche Wirtschaft unterstützt wurde. Hierfür ebenfalls recht herzlichen Dank.

Durch diese vielen gegenseitigen Aktivitäten mit anfangs ca. 20 Personen hier in Witten ist inzwischen der Name unserer Stadt in Kursk in breiten Teilen der Bevölkerung bekannt wie dies auch umgekehrt hier bei uns mit Kursk ist. Zigtausende der Menschen hier und dort kennen die Partnerstädte. Dies ist doch ein ganz besonderer Erfolg.

Zwar lässt sich mit diesem Engagement die ungeheure Schuld unserer vorausgegangen Generationen nicht abtragen, aber wir haben mit dieser Arbeit etwas Verantwortung für eine friedlichere Zukunft übernehmen. Insofern und vor allem in Zeiten der neuen Medien Twitter, facebook und andere stellen sich die Fragen: Sind die damaligen Ziele erreicht und sind Städtepartnerschaften noch notwendig? Wo stehen wir jetzt?

Als die Arbeit des Freundeskreises Anfang der 90-iger Jahre konkret begann, waren wir alle voller Hoffnung, dass wir einer friedvollen Entwicklung entgegen gingen. Geostrategisches Blockdenken schien beendet, die Existenz der Militärbündnisse nur noch eine Frage der Zeit. Der Journalist Andreas Zumach hat uns diese damalige Situation in seinen Vorträgen hier in Witten detailliert dargestellt. Es wäre möglich gewesen! Heute wissen wir es besser: 30 Jahre nach Vereinsgründung und 26 Jahre nach Gründung der formalen Städtepartnerschaft zwischen Kursk und Witten ist die globale Entwicklung wieder mehr als bedrohlich, Krieg wieder in Europa angekommen, Nationalismus breitet sich aus, Zäune werden wieder hochgezogen. Angesichts von Boykott, Handelsembargos, Sanktionen, Aufrüstungen, militärischen Manövern und Interventionen sowie verbalen Entgleisungen und Drohungen hören wir mehrfach von unseren Kursker Freundinnen und Freunden die Frage: Wollt ihr uns noch? Unsere spontane Antwort war und ist ein deutliches: Ja!

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese Arbeit fortgesetzt werden muss und wir sind daher überaus froh, dass gemeinsame Ideen zum Frieden entwickelt wurden, wie zum Beispiel in der gemeinsam formulierten Resolution zum Ukraine-Konflikt, die viele Bürgerinnen und Bürger unterschrieben haben, die der Rat unserer Stadt in einem Beschluss bestätigt hat, und die auch inzwischen bei der Deutschen Botschaft in Moskau vorliegt. Auch die Verwaltung in Kursk stellt die besondere Bedeutung von Städtepartnerschaften in diesen global schwierigen Zeiten heraus. Auch die Aktionen zum Antikriegstag, in diesem Jahr mit dem Titel ‚Europa neu denken’, an dem fast alle Wittener Städtepartnerschaftsvereine und ebenfalls unsere Gäste aus den Partnerstädten teilnahmen, sind hier zu benennen.

Zitieren möchte ich in diesem Zusammenhang den letzten Generalsekretär der SU und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow, der in seiner aktuellen Denkschrift „Ein Appell an die Welt - kommt endlich zur Vernunft, nie wieder Krieg“  folgendes schrieb:

    Meinen Appell zum Handeln richte ich nicht nur an die Staatsführungen sondern auch an die Zivilgesellschaft. Bei Beendigung des Kalten Krieges hat die Öffentlichkeit eine enorme Rolle gespielt. Ich erinnere mich gut an die lautstarke Stimme der Friedensbewegung gegen Krieg und Atomwaffen in den 1980er-Jahren. Diese Stimme wurde gehört.

Es lässt sich hinzufügen: Diese Stimmen müssen wieder lautstark werden.

Gestatten Sie mir noch, den Blick auf ein anderes Thema zu richten: Die Friedensausrichtung von Städtepartnerschaften in Deutschland und Europa ergibt sich bekanntlich durch die Katastrophen beider Weltkriege. In Beziehungen mit außereuropäischen Partnerstädten werden demgegenüber andere Schwerpunkte gesetzt. Diese befassen sich mehr mit den Städten selber und ihren Rahmenbedingungen.

Angesichts des ungebremsten Wachstums der Städte ist ein Austausch über Erfahrungen hier und dort unter vielerlei Gesichtspunkten hilfreich und notwendig. Wie wir wissen, leben inzwischen mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Somit werden Fragen, wie Nachhaltigkeit, Ökologie, Klimawandel und der Lebensqualität der Menschen in Zukunft überwiegend in den Städten entschieden. Hierauf müssen Antworten gefunden werden, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern. Die Befassung mit diesen Themen im Sinne von „global denken, lokal handeln“ sollte also auch wichtig für die Städtepartnerschaften sein. Projektbezogene Netzwerke der Partnerstädte können hier den Horizont erweitern und neue Denk- und Lösungsansätze generieren. Insofern ergeben sich zwei Ansätze, die die Notwendigkeit von Städtepartnerschaften auch für die Zukunft einfordern, nämlich

Friedenssicherung und geschichtlicher Kontext mit hoher Priorität

Reflexion der Entwicklung unserer Städte unter nachhaltigen Ansätzen

Das heißt auch, dass die Städtepartnerschaften vor neuen, großen Aufgaben stehen. Wenn ich in die Runde blicke und mich einbeziehe, müssen wir uns gemeinsam die Frage stellen: Wie erhalten wir uns diese Städtepartnerschaften und wie schaffen wir diese Arbeit?

Wichtig ist, dass wir weiterhin Menschen zusammen bringen bei dem was sie gerne tun, wie z.B. bei dem Thema Jazzmusik letzte Woche. Wichtig ist ohne Frage aber auch, dass junge Menschen verstärkt in diese Arbeit einbezogen werden und für den Blick auf die Partnerstädte begeistert werden. Dabei kann deutlich werden, dass zum Beispiel Reisen in die Partnerstädte viel mehr sind als reine Urlaubs-Städtereisen, denn über die jeweiligen Freundeskreise können in kurzer Zeit Informationen, Unterstützungen oder auch Hilfsbereitschaft geleistet werden. Warum sollte nicht eine Schülerin nach einem Besuch in Kursk im nächsten Jahr mit ihren Eltern oder Freunden erneut die Stadt besuchen oder Schüler mit ihren Wassersportfreunden eine Fahrt auf der Ruhr oder der Svappa in Kursk angehen. Junge Menschen engagieren sich bekanntlich an Dingen, die Spaß bereiten oder eine Qualifikation ermöglichen. Mit beiden Themen könnten Städtepartnerschaften punkten. Die Einbeziehung von Schulen oder die Durchführung von Jugendbegegnungen können dabei gute Ansätze sein. Hieran sollten wir weiter arbeiten. Wichtig ist allerdings auch, dass uns Verwaltung und Politik hierbei verstärkt unterstützen.

Eine Schülerin der Hardensteinschule Witten berichtet vom Schüleraustausch mit einer Schule in Kursk 2017

 

 

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